Desturi

Desturi – Bildung im Busch

Kenia-Brief | Dezember 2015

LIEBE FREUNDINNEN, FREUNDE UND FÖRDERER VON DESTURI,

diesmal sind wir es, Helmut und Susanna, die DESTURI-Akteure aus der „zweiten Generation“, die Euch über die spannenden Entwicklungen des Jahres 2015 berichten. Lisa und Ludwig sind aus persönlichen Gründen in diesem Jahr nicht nach Kenia gereist. Deshalb baten sie uns, in diesem Brief zusammenzufassen, was wir dort an Neuigkeiten hautnah erlebt und ein wenig mitgestaltet haben.

Unsere Reise stand auch diesmal ganz unter dem Motto „Ein Zahnarzt kann im kenianischen Busch sicher nicht die Welt retten, aber will wieder ein paar geplagte Menschen von Zahnschmerzen befreien“. Mit etlichen Koffern, vollgepackt mit mobiler zahnärztlicher Ausrüstung, machten Susanna und ich uns Ende Juni auf die lang ersehnte Reise nach Malindi/Kakuyuni, zu den Menschen, die uns seit unserem ersten Besuch im vorherigen Jahr sehr ans Herz gewachsen sind.

Wieder nach Kakuyuni zu kommen war für uns wie das Wiedersehen mit der eigenen Familie: Es wurde gejubelt, getanzt und Tränen der Freude flossen reichlich! Wir wurden von allen herzlich willkommen geheißen – „Die weißen Zahnärzte sind nach Hause
gekommen“!

Wieder bezogen wir unser schon bekanntes steinernes Haus, das auch erneut als Praxis diente. Und wir konnten wieder von der Veranda aus am bunten Dorfleben teilhaben.

Mitgebrachte Geschenke verteilten wir gleich am nächsten Tag, unter anderem eine Sammlung von ca. 40 Brillen aller Art und Sehstärke, die uns ein lieber Patient aus der Münchener Praxis mit auf den Weg gegeben hatte. Wahrhaft praktische Gaben, zusätzlich zur regen zahnärztlichen Tätigkeit, die wir – in schon bewährter Weise - wieder aufnahmen.

Vor Ort war wieder Emmanuel für uns da, unser deutsch sprechender Organisator, der (wie man im ersten Keniabrief nachlesen kann) ja im Jahr 2001 als Au pair bei Lisa den Anstoß gab, in dieses Village und zu seiner großen Familie zu kommen. Vom undichten „Dach des Vaterhauses“ und dem Traum von Mama Cecilia, einer pensionierten Lehrerin, Bildung in den Busch zu bringen, bis zum heutigen DESTURI Sind nun schon acht Jahre Weg gemeinsam gegangen (www.desturi.de).


ROTARY UND DESTURI

Wenn wir über DESTURI 2015 berichten, dann muss diesmal unbedingt die Rede sein von den enor-men Spenden des Rotary Clubs München Harlaching. Als amtierender Präsident konnte ich unsere Mitglieder schnell begeistern für die Bildungs- und Gesundheitsaufgabe von DESTURI. Insgesamt kamen ein Geldbetrag von ca. 33.000 € aus rotarischen Mitteln und ca. 4.000 € aus Individualspenden, also insgesamt ca. 37.000 €, für DESTURI zusammen. Was für ein wunderbarer Rückenwind für das Projekt! 

Die Summe enthält – neben den vielen Unterstützungsbeiträgen der langjährigen treuen DESTURI-Spenderinnen und Spendern - die Weihnachtsspende des Clubs, einen zusätzlichen Grant von Rotary International, den wir einwerben konnten, sowie eine Großspende unseres Mitgliedes Professor Reinhard Hickel von 11.500 €, der anlässlich seines 60sten Geburtstags die Gratulantinnen und Gratulanten dazu aufrief, für das Projekt zu spenden! Auch den damaligen Geburtstagsgästen ein herzliches Dankeschön hierfür! Alle, die in der Verwaltung dieser Zuwendungen stehen, kennen selbstverständlich ihre Verantwortung. Wir halten unsere Versprechen, und wir garantieren Euch/Ihnen mit unseren Namen, dass jeder gespendete Euro direkt dem weiteren Auf- und Ausbau von DESTURI, dem Weg zu Bildung und Gesundheit im Busch, zufließt. Gerne werden wir auch in Zukunft laufend dazu berichten!

VERWENDUNG DER SPENDENMITTEL VEREIN FÜR GESUNDHEIT UND BILDUNG IN AFRIKA UND ROTARYSPENDEN

Am 7.1.2015 wurden der Desturi Foundation gutgeschrieben: 431.125,65 KSh, weitere Gutschrift am 12.5.2015 3.432.000,00 KSh, Summe 3.863.125,65 KSh, davon verausgabt bis 30.9.2015 1.775.360,00 KSh, Restmittel 2.087.765,65 KSh.

Diese werden voraussichtlich verwendet für Schulmöbel, Umbau und Modernisierung Toiletten (wegen Schulerweiterung), Bücherei, Mensa, Bau Waisenaufnahmestation; Bedarf übersteigt 2.087.765,65 KSh bei weitem.

DAS SCHULPROJEKT DESTURI

Das Kernstück von DESTURI, nämlich das immer weiter wachsende Schulgebäude, bestaunten wir gleich zu Beginn. Die in diesem Jahr sehr umfangreichen Spenden eröffnen eine Chance, den aufgewachsenen Baurückstau aufzufangen. Mehrere Bauabschnitte konnten nun umgesetzt werden: die Klassenzimmer für Klasse 6 und 7 sowie der Raum für die Schulleitung und das Personal. Alles wurde in bewährter Geschwindigkeit und Qualität verwirklicht: Ohne Maschinen und mit einfachsten Werkzeugen arbeiteten die fleißigen Fundis (Handwerker) Tag um Tag.

BESUCH DER STUDIERENDEN DER TECHNISCHEN UNIVERSITÄT MÜNCHEN

Auch in diesem Jahr konnten wieder etwa 300 Patientinnen und Patienten untersucht und teilweise von bedrohlichen Zahnerkrankungen befreit werden. Aber der Bedarf ist um ein Vielfaches größer. Aus dem kleinen Pflänzchen der zahnärztlichen Notversorgung während der – zwangsläufig kurzen - Besuche von Susanna und mir, soll daher eine Gesundheitsstation für zahnmedizinische und medizinische Versorgung und Beratung mitten im Busch entstehen.

Fragen inklusiver Bildungsangebote konnten sie gemeinsam mit Fachkräften aus der Praxis umfassend diskutieren und gleichzeitig beobachten, wie es möglich sein kann, an dem Ort, wo die Kinder aufwachsen, mit einfachen Mitteln gute Schule zu machen. Alle waren sehr beeindruckt und tief berührt. In einem ebenfalls auf Sozialräume bezogenen Ansatz verfolgt Lisas zweites Forschungsprojekt vor Ort die Frage des „Social impact assessment“. Es wird mit Betroffenen untersucht, wie in Netzwerken, über Kleinkredite, Trainingsprogramme und bürgerschaftliches Engagement bezifferbare Werte entstehen, jenseits der üblichen Maßeinheiten „feste Anstellung und Einkommen“. Auch hier zeigt sich – in der Feldforschung – wie elementar wichtig Bildung und der Zugang zur Gesundheitsversorgung sind, gerade dann, wenn Menschen unter schwierigen Umständen leben (Armut, ohne Sozialleistungen, ohne feste Anstellung, ohne Ressourcen wie Energie, Wasser oder Verkehrsmittel, aber mit weiten Wegen etc.).

Ein schöner Effekt der wissenschaftlichen Einbindung und Qualitätskontrolle des Projektes vor Ort ist, dass sich mit den regen Diskussionen und über Gegenbesuche in München auch die Kompetenz der maßgeblichen Kräfte vor Ort festigt, parallel zum Wachstum der Schule. Das berechtigt zur Hoffnung, dass DESTURI nachhaltig Bestand haben wird. Darauf vertraut auch die Technische Universität München und hat den Vertrag mit der Feldstation in Malindi bis 2016 verlängert. Sie wird für Feldforschung inzwischen nicht nur von bildungs- und gesellschaftsorientierten Studierenden und Wissenschaftlerinnen genutzt, sondern auch die Umwelt- sowie „Fauna und Flora“-Forschenden TUMler aus Weihenstephan trifft man dort an.

DESTURI UND DIE WELTLAGE – EIN ANKER

In Zeiten großer weltweiter Herausforderungen wächst DESTURI, das macht Mut. Zuversicht erfordern auch die weiteren Pläne. Aber sich für die Idee zu begeistern, mit allen verfügbaren Kräften an einem Flecken der Welt einen Ankerpunkt zu schaffen, der Menschen vor Ort hält, weil sie Chancen sehen, für sich und ihre Familie, dürfen wir uns einfach nicht nehmen lassen. Einen Ort der Bildung, Gesundheit und Zuverlässigkeit zu bauen bedeutet, zu hoffen und auf Zukunft zu setzen – für viele Kinder und Familien eine der wenigen Chancen, die sie im Leben haben. Das Vertrauen, das dort gewachsen ist und das wir bislang immer aufs Neue untermauern konnten, gilt es weiter durch verlässliche Zusammenarbeit lebendig zu halten. Denn nur so entstehen wirksame Ankerpunkte gegen die Nöte und Ängste, die Menschen aus ihren Herkunftsregion in die Slums der großen Städte oder weiter in die Welt treiben, auf der Suche nach Sicherheit und einem besseren Leben. Derzeit wächst die Zahl solcher Zu-Flucht-Suchenden weltweit immens, obwohl zugleich familiäre Bindungen und soziale Sicherung auf dem Spiel stehen. Vor Ort Anker zu haben, wie sie durch Bildungsangebote und Gesundheitsversorgung entstehen, wirkt gegen Hoffnungslosigkeit. Hierin besteht eine ganz große Herausforderung für die Regierungen, aber auch die westliche Welt. Dies ist uns sicher in Europa und besonders Deutschland in den vergangenen Monaten, Tag für Tag mehr und mehr, im eigenen Alltag bewusst geworden.

WELCHE KRÄFTE WIRKEN MIT?

In Deutschland wächst die Zahl der Schultern, auf die Aufgaben übertragen werden können:
Es engagieren sich neben der Gründergeneration (samt Lisas Teams an der Technischen Universität München und am Max-Planck Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik, München) und den Kommunikationsspezialisten edi&sepp, Dieter Heinrichsen und Sigrid Weiss (für den Internetauftritt und die DESTURI-Briefe), nun als „zweite Generation“ neben mir (Helmut Prager) und Susanna Widhammer, auch Mathias Otto (Steuerberater) aus Rosenheim sowie seine Frau Hilda und sein Sohn Mathias jr.; Günter und Monika Maenner ebenso wie Lorenz Rambichler, aktiver Berufsschullehrer aus Bad Reichenhall, mit seiner kenianischen Frau Moni.


In Kenia stützt sich DESTURI auf verschiedene Personen und Strukturen: von Anfang an engagierten sich Emmanuel Chanzera und seine Familienmitglieder (besonders Silas, Patrick, Cecilia, Moses, Alex, Gertrude und der Schulleiter Raymond), ebenso seit vielen Jahren aus den Universitäten Prof. Rajab, der Präsident der Pwani University und Prof. Katana in Kilifi; für den Taita Taveta Campus in Voi ist es der Präsident Prof. Boga.

Diese Personen kümmern sich insbesondere um Einzelprojekte, mit dem Ziel, Kräfte vor Ort freizusetzen. Dies sind:

  • Soyo Soyo Self Help Group (registriert 2008): Mitglieder sind 39 namentlich genannte Villagebewohnerinnen und -bewohner sowie Lisa und Ludwig; Board: Silas, Cecilia, Alex, Emmanuel, Moses; Treasurer: Alex und Patrick; Assist: Gertrude; Supervision Board: Lisa und Ludwig; Ziele sind (über Kleinkredite) Startups, Gesundheitsaufklärung und Hilfe für Waisen sowie Umweltentwicklung (durch farming, poultry, forestry, livestock products). 

  • Memorandum of Understanding on Academic Cooperation and Exchanges: zunächst mit der TU Dortmund, seit 2013 mit der TU München mit Pwani University (Kilifi) Prof. Rajab, Principal und mit Taita Taveta College (Voi) Prof. Boga, Principal. 

  • Trust (seit 2012): Desturi Foundation (zur Grundsicherung des Eigentums) nach kenianischem Recht; Founder Trustees: Lisa und Ludwig; zusätzliche Mitglieder: Cecilia, Emmanuel, Moses, Silas (dazu hat Prof. Gabriel Katana 2013 einen Bericht verfasst). 

  • Gemeinnütziger Verein „Gesundheit und Bildung für Afrika“ (seit 2014): ermöglicht eine gezielte steuerliche Absetzbarkeit von Spendengeldern. Vereinsvorsitzende: Susanna Widhammer


WIE SOLL ES FÜR DIE KINDERAUFNAHMESTATION WEITERGEHEN? DAS PROJEKT „RESCUE CENTER“

Endlich konnten die Grundstücksrechte geklärt werden, für das Grundstück, das die DESTURI-Foundation neben dem Schulgelände erworben hat, um für Kinder in familiären Notlagen zu sorgen (Waisen oder Kinder mit Eltern, die sie aufgrund von Krankheit, Gewalt, Drogen, Delinquenz etc. nicht unterstützen). Nun kann also mit dem Bau der Kinderaufnahmestation begonnen werden, die in kleinem Umfang Kinder- und Jugendhilfe möglich machen soll. Nochmals vielen Dank an Irmin Lun und ihre Familie sowie an Bodo und Gerda Holz für ihre großzügigen Spenden für diese wichtige Aufgabe! Emmanuels Schwester ist immer noch bereit, sich um die dort aufgenommenen Kinder zu kümmern. Auf dem Grundstück sollen auch Lebensmittel zur Selbstversorgung produziert werden und die elternlosen Kinder sollen nicht nur Familienanschluss finden, sondern auch ihre Schulbildung von DESTURI bekommen.

WIE SOLL ES MIT DEN BÄUMEN WEITERGEHEN? DAS PROJEKT 2TF (TREES FOR THE FUTURE)

Der Wald aus Eukalyptusbäumen und Kasuarinas hat mittlerweile gute Stammdurchmesser erreicht. So kann nun in größerer Menge gefällt bzw. muss systematisch dort gelichtet werden, wo die Bäume mehr und mehr zu eng stehen. Noch ist eine eigene Verarbeitung nicht möglich, aber eigene Bäume werden bereits für Dachkonstruktionen eingesetzt und auch als hochwertiges Brennholz nach Malindi verkauft, hauptsächlich in die Gastronomie. Wie man dort Bäume fällt, nämlich mit der Machete, hat bei mir spontan Verbesserungsideen geweckt! Gemeinsam wurden eine Bügelsäge besorgt und Holzböcke selbst gezimmert. Dies brachte nicht nur eine erhebliche Effektivitätssteigerung, sondern machte auch viel Spaß bei der Fällerei!

Das DESTURI Schul- und Gesundheitsprojekt ist dank vieler weiterer Unterstützerinnen und Unterstützer enorm gewachsen. Die Schule entwickelt sich kontinuierlich und mit ihr die Zahl der Schülerinnen und Schüler (aktuell 230), denn der Zustrom über den Kindergarten ist ungebrochen. Im nächsten Jahr gelingt durch den Bau der abschließenden Klasse 8 ein vollwertiger Abschluss der Schule (Primary School). Die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer soll von acht auf elf erhöht werden. Seit Ende September hat die Schule auch Stromanschluss, also wird auch Computerunterricht möglich. Die sanitären Anlagen werden an die wachsende Anzahl von Schülerinnen und Schülern angepasst und in die Gesamtkonstruktion der Gebäude integriert. Zusätzlich schaffen die Mensa und eine kleine Bibliothek sehr gute Voraussetzungen, hungrige Mägen zu füllen und Wissensdurst zu stillen. Damit wird der Traum von der „Primary School of Excellence“ wahr und zwar nur durch Eure/Ihre Mitwirkung, und hier sind alle gemeint, die einen Beitrag geleistet haben!

Natürlich bleiben Wünsche offen, denn Nachhaltigkeit kann langfristig nicht durch ständige Übertragung finanzieller Mittel gelingen. Vielmehr müssen die Menschen vor Ort – und jede und jeder nach besten Kräften – so stark werden, dass sie ihre Zukunft mehr und mehr mit eigenen Mitteln selbst meistern können. Hier wäre eine weiterführende Schule (Secondary- School) ein möglicher Weg, den wir in der Zukunft nicht aus den Augen verlieren wollen. Aber wirksam wird vor allem sein, wenn sofort die Möglichkeit besteht, einen handwerklichen Beruf zu erlernen und so selbst ein eigenes Einkommen zu erzielen, genau wie dies das deutsche Berufsschulsystem vorsieht. Weil diese Form der beruflichen Bildung (vocational training) in Kenia so nicht existiert, ist hier nochmals Pionierarbeit gefragt. Wir denken an freiwillige, fachlich versierte Helferinnen und Helfer, die auch bereit sind, eine gewisse Zeit vor Ort zu verbringen und ihr Know-how dort weiterzugeben. Wir denken aber auch daran, geeignete Kenianerinnen und Kenianer für mehrere Monate zur Teilnahme am deutschen Berufsbildungswesen einzuladen.


Das Gesamtvorhaben wächst also weiter kräftig. Für die nähere Zukunft ist geplant, die Gesamtprojektverantwortung in zwei Säulen zu gliedern:

  • Bildung: Lisa Wacker wird sich, wie schon in der Vergangenheit, um vorschulische, schulische und berufliche Bildung kümmern und das wissenschaftliche Netzwerk (Hochschulbildung) pflegen und ausbauen. Dazu zählen auch, in Sachen „Education“ politisch in Kenia „up to date“ zu sein, den Austausch mit den Universitäten lebendig zu halten und die Bereiche Inklusion (Einbindung aller in Bildung unter schwierigen Bedingungen wie Armut, Behinderung und als Waise) im Blick zu haben. Hierzu reist sie nun im Dezember mit mehreren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach Kenia. lisawacker@desturi.de

  • Gesundheit: Helmut Prager und Susanna Widhammer werden den zahn-/medizinischen Bereich weiter planen, daran mitarbeiten und die „Busch-Klinik“ eines Tages wahr werden lassen. helmutprager@gmx.de