Desturi

Desturi – Bildung im Busch

Kenia-Brief | September 2014

Karibu Rafiki Mpenzi,
liebe Freundinnen und Freunde von Kenia Desturi!

Den Brief über unsere Reise vom 24.8. bis 3.9.2014 müssen wir leider mit der verschlechterten wirtschaftlichen Situation des Landes beginnen – zu sehr mit Händen greifbar war die gedämpfte Stimmung, nicht zu übersehen waren die Auswirkungen des Einbruchs im Wirtschaftssektor Nummer 1, dem Tourismus. 

Nach mehreren Terrorangriffen der al-Shabaab innerhalb weniger Monate in Nairobi, Mom- basa und Lamu, haben viele westliche Länder Reisewarnungen und sogar Reiseverbote erlassen. Viele Hotels an der Küste sind nun geschlossen, weil die Gäste ausbleiben. Die wenigen, die ihren Betrieb auf Sparflamme aufrechterhalten, haben bis zur Hälfte ihres Personals entlassen.

Die Studierenden der TU Dortmund, die sich im Frühsommer in der Forschungsstation in Malindi aufhielten und ihre Praktika in verschiedenen Schulen – auch in der DESTURI Primary School – absolvierten, brachen ihren Aufenthalt auf Drängen ihrer Eltern und Angehörigen unter Tränen vorzeitig ab.

Arbeits- und Hoffnungslosigkeit machen sich bei vielen Menschen breit, ein potenzieller Nährboden für Radikalisierung und Kriminalität, von der wir allerdings persönlich (noch) nichts Ernsthaftes erleben mussten. Auch haben wir uns zu keiner Zeit unsicher oder gar bedroht gefühlt.

Desturis Wirtschaft leidet unter Terrorwarnungen und Reiseverboten

Dass bestimmte Spielregeln eingehalten werden, war für uns immer selbstverständlich, wie nachts nicht alleine unterwegs zu sein, große Menschenansammlungen zu meiden oder in einem armen Land nicht einfach Wertsachen zur Schau zu stellen. 

Um einen italienischen Hotelmanager vor Ort zu zitieren: „In Rom fühle ich mich weniger sicher“. Jeder muss seine Reiseplanungen natürlich für sich selbst treffen. Aber wir konnten hautnah miterleben und spüren, was Reisewarnungen und Reiseverbote für dieses Land bedeuten. Leider ist zu befürchten, dass ein derzeit politisch noch einigermaßen stabiles Land aus der Bahn geworfen wird. Damit könnte die Rechnung der fundamentalistischen Terroristen aufgehen und die Welt wäre an einem weiteren Ort destabilisiert.

Guter Rat ist in dieser Situation natürlich teuer. Politisch hielten wir es für klug, das Land trotz Vorbehalten gegen die Person seines demokratisch (!) gewählten Präsidenten Uhuru Kenyatta wirtschaftlich und sicherheitspolitisch zu unterstützen, um im Kampf gegen Terrorismus besser gewappnet zu sein. Immerhin hat sich Kenia auf Bitten der somalischen Regierung auf die Bekämpfung der Terroristen im benachbarten Somalia eingelassen (im Rahmen von AMISOM „African Union Mission in Somalia), nimmt hunderttausende somalischer Flüchtlingen auf um den Preis einer kritischen Sicherheitslage vor allem an der kenianisch-somalischen Grenze und wird dafür von der Weltöffentlichkeit auch gelobt, jetzt aber im Stich gelassen. Statt eine Bastion gegen den Terrorismus zu stützen!

Rational ist das kaum nachvollziehbar: Für den Kampf gegen die (lebensgefährliche) Flucht zahlloser Afrikanerinnen und Afrikaner vor Elend, Hoffnungslosigkeit und Terror in ihrer Heimat müssen an den europäischen Grenzen Mittel in immenser Höhe eingesetzt werden, während wir es uns vergleichsweise wenig kosten lassen, ihnen in ihrem Heimatland ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. 

Dabei ist bekanntlich die beste Waffe gegen Terrorismus eine „radikalimmune“ Bevölkerung, durch faire Perspektiven für das eigene Leben und das der Kinder. Für uns gibt es nur eine Antwort: Jetzt erst recht! Wir wollen unsere Anstrengungen um die Unterstützung von Bildung und Verbesserung der Lebensbedingungen in unserem kleinen Wirkungskreis weiter steigern, um den wenigen Menschen, die sich auf uns verlassen, Hoffnung zu machen. Wir möchten sie in die Lage versetzen, ein eigenes, wohl begründetes Urteil zur Situation in ihrem Lande treffen zu können und so ihrerseits Hoffnung zu verbreiten.

Der weiße Zahnarzt

In dieser Situation haben wir uns ganz besonders gefreut, dass wir von unserem Freund Helmut mit seiner Frau Susanna tatkräftige Hilfe für DESTURI und die ganze umliegende Community erfahren haben: Helmut Prager, Zahnarzt in München, wurde vor einigen Jahren zusammen mit Ludwig am selben Tag in den RotaryClub München-Harlaching aufgenommen. 

Er hat Erfahrung mit „mobiler Praxis“. Helmut und seine Frau Susanna waren im Juni für zwei Wochen vor Ort und haben von morgens bis abends unentgeltlich Zähne behandelt. Und damit keine Zeit verloren geht, haben sie auch gleich im Village „gewohnt“ (jedes deutsche Zeltlager weist bessere Standards auf). Von Tagesanbruch bis zur Dämmerung haben die beiden so zahlreichen Menschen auch im weiteren Einzugsbereich geholfen, die teilweise schon jahrelang Zahnschmerzen hatten, sich aber nie einen Zahnarztbesuch leisten konnten. 

Helmut hat einem harten Kern von Münchner Rotariern Fotos der Versorgungslage gezeigt, die einem die Sprache verschlagen. Dass die beiden danach doch noch humorvoll u.a. auf ihre bürokratischen Abenteuer bei der Einfuhr ihrer Geräte und Ausstattung zurückblicken konnten, ist sicher einem so herzlichen Abschied und Dankeschön der Gemeinschaft im und um das Village geschuldet, dass sie (Helmut, verzeih’ mir!!) zu Tränen gerührt waren. Wer Menschen Schmerzen nehmen kann, gibt ihnen Hoffnung und baut sie auf. Helmut und Susanna haben zugesagt, nächstes Jahr wieder zu kommen. 

Asante sana, sollen wir noch einmal von allen sagen! Und natürlich für nächstes Jahr schon einmal: Karibuni!

Desturi Kindergarten und Primary School

Sensationelle Ergebnisse brachte ein erstmals ausgetragener County-weiter Qualitätswettbewerbs mit den anderen regionalen Primary Schools, eine Art „mini-PISA-Studie“! DESTURI belegt (je nach Jahrgangsstufen) die Plätze 2, 3, 4 und 5 (von 39 Schulen). WOW!! Wenn das nicht dazu motiviert, mit noch mehr Energie weiter zu machen!? Wir haben den derzeit rund 190 Schülerinnen und Schülern und ihren drei Lehrerinnen und sechs Lehrern im Namen aller ihrer Freunde gratuliert und sind sehr stolz auf ihre Leistung! 

Da traf es sich gut, dass Helmut und Susanna von der Fa. KOMET drei Fußbälle bekommen hatten, die in einer Pause sofort zu großer Freude geführt haben. 

Herzlichen Dank an die Fa. KOMET! Das ist uns natürlich Ansporn, jetzt auch schnellstens die weiteren Klassenräume für die Jahrgangstufe 6 sowie endlich ein Zimmer für Lehrpersonal und Schulleiter samt Bibliothek zu errichten, damit wir im Januar 2015 planmäßig weitermachen können. Wieso eigentlich „weitere Klassenräume“? Nun, weil wir klassenmäßig schneller gewachsen sind als gebäudemäßig und sich die Klassen 4 und 5 derzeit einen Raum teilen, der nur durch eine Trennwand abgetrennt ist. Es werden daher jetzt drei Gebäude gleichzeitig benötigt: Das Eckgebäude soll das kombinierte Zimmer für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, gewachsene Verwaltungsaufgaben, Elterngespräche und Bücher werden, dazu kommt ein eigener Raum für die 5. Klasse und ab Januar 2015 neu die 6. Klasse. Leider aber haben wir für die notwendige Erweiterung noch nicht genug Geld zusammen…

„2TF“ – Die Bäume

Wir hatten gehofft, aus den ersten Erträgen des Waldes substanziell zu dieser Erweiterung beitragen zu können und arbeiten immer noch fieberhaft daran. Die Bäume wachsen nämlich gut und müssen jetzt dringend ausgelichtet werden, um den kräftigsten den weiteren Wachstumsraum zu geben. Die auszulichtenden Bäume – etwa 4.000 von insgesamt 22.000 - kommen immerhin auf einen Durchmesser von bis zu 18 cm und sind für die traditionellen Dachkonstruktionen bestens geeignet. Als Folge der eingangs beschriebenen Tourismuskrise sind aber die Hotelbetreiber als Hauptinvestoren derzeit mit Investitionen sehr zurückhaltend, deshalb müssen wir mit vereinten Kräften der Familie vor Ort und aller Beteiligter neue Märkte erschließen. Immerhin ein Hoffnungsfunke ist zu vermelden: Just am Tag des Treffens des Vorstands der DESTURI FOUNDATION, am 31.8.2014, konnten 130 Bäume verkauft werden; sie wurden am selben Tag gefällt und tags darauf abgeholt und bezahlt. Diese erbringen, gewissermaßen als „Zwischenprodukt“, schon einmal rund 100.000 KSh (ca. 900 €) und tragen zum Erhalt (erste Reparaturen stehen an) und Ausbau der Schule bei.

DESTURI Foundation

In den letzten Briefen hatten wir schon über die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung kenianischen Rechts im Mombasa berichtet, um die verschiedenen Projekte langfristig zu sichern und unabhängig zu machen. Wer wirklich etwas über Bürokratie lernen will, kann das in Kenia par excellence studieren… Wir sind aber durchs Gröbste durch; die Stiftung ist registriert und bekommt gerade von den Familienmitgliedern, denen die Schulgrundstücke noch gehören, diese übertragen (nur als Anekdote sei berichtet, dass das Grundbuchgericht ein paar Monate geschlossen war, um seine Akten in Ordnung zu bringen…). Daneben läuft auch die Grundstücksübertragung des Geländes, auf dem die Waisenauffangstation (Rescue-Center) ihr Zuhause finden soll. Das Bankkonto wird dieser Tage eröffnet, die Buchführung eingerichtet. 

Zum Stiftungsvorstand gehören neben uns beiden Emmanuel und Moses sowie Emmanuels Vater Silas und Moses‘ Tante Cecilia. Eine große Hilfe ist uns außerdem Prof. Gabriel Katana (wir hatten schon mehrfach von ihm berichtet), der als ständiger Gast bei den Vorstandssitzungen wertvolle Beiträge leistet beim Pfadfinden durch das regionale und nationale Vorschriften- und Behördendickicht, aber auch über exzellente Netzwerke bis zur stammesspezifischen Familienpsychologie… Neben den physischen Treffen in unserer Anwesenheit gibt es regelmäßige Vorstandstreffen, an denen wir per Telefonkonferenz teilnehmen und die im Schnitt alle zwei Monate stattfinden. 


Die Waisenauffangstation

Leider gibt es immer noch keine Bilder von diesem Teilprojekt, weil sich die konzeptionelle Ausgestaltung in der Diskussion mit den kenianischen Behörden extrem schwierig gestaltet hat. Man kann den staatlichen Anspruch, Kinder zu schützen, ja nur befürworten, trotzdem hätten wir uns ein zügigeres Tempo gewünscht. Beim jetzigen Besuch scheinen wir aber einen großen Schritt vorangekommen zu sein: Der zuständige Mitarbeiter der County-Behörde hat nunmehr die Bedingungen klar formuliert. Und zwar schriftlich. Mit Stempel und Unterschrift. Und wir haben das Schreiben in Händen. Sobald nun auch die Grundstückseintragung zugunsten der Stiftung erfolgt (siehe oben), kann es losgehen. Das Startkapital hierfür steht bereit, und dafür danken wir nochmals ganz herzlich den Erben von Frau Eugenie Moser, insbesondere Dir, liebe Irmin, und unseren Freunden Bodo und Gerda Holz.

Kooperation mit den Universitäten

Mit Förderung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenrabeit (BMZ) besteht seit 2013 eine fachbezogene Partnerschaft unter dem Titel „CBResearch“.

Es geht um die gemeinsame Entwicklung eines internationalen Curriculum (Lehrplans für einen Studiengang) in Anknüpfung an die Strategie der Community-Based Rehabilitation der Weltgesundheitsorganisation. Also eine Art Hilfe zur Selbsthilfe vor Ort, für die systematisch geschult werden soll. Deswegen sollen entsprechende Forschungskompetenzen zu Inklusion, Umgang mit Verschiedenheit (Diversität) und Gesundheit in Kenia und Deutschland aufgebaut werden. 

Deswegen befassen sich Module (Bausteine des Studienprogramms) vor allem mit Fragen des Umgangs mit Behinderung, Geschlechtergerechtigkeit, verschiedenen Kulturen, religiösen Orientierungen, aber auch Bildungshintergründen in entsprechend ausgestalteten Sozialräumen (Kommunen). Das Projekt, in dem sich regelmäßig Studierende, Mitarbeiterinnen und Professoren der beteiligten Universitäten besuchen und ihr Wissen austauschen, wird bis 2016 laufen und dabei können jährlich immerhin etwa 50.000 € eingesetzt werden. Am Ende soll der Studiengang (übrigens internetbasiert) in die Umsetzung gehen.

Unsere Reise hat uns auch wieder ins Hinterland nach Voi geführt, wo Prof. Hamadi Boga, der Principal des Taita Taveta University College, eine 100-Jahr-Gedenkfeier des County zum Beginn des Ersten Weltkriegs dafür nutzte, sein University College zu präsentieren. Wir konnten bei dieser Gelegenheit mit dem County Governor John M. Mruttu (ein Ingenieur) interessante Gespräche über seine Sicht der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklung Kenias führen und uns selbst mit je einem Vortrag einbringen. Leider liegt Voi mehr als eine halbe Tagesreise von Watamu entfernt (wo wir uns vorwiegend aufgehalten haben, um Kontakte zum dortigen Rotary Club zu vertiefen) und die Straßen sind „rough“… Aber gut geschüttelt und total eingestaubt haben wir die beiden Tage dennoch heil überstanden – und sind sogar in der Zeitung erschienen.

Emmanuels Familie

Natürlich sollen wir Sie/Euch alle von Emmanuel, Beatrice, Faith und Prince herzlich grüßen!

Leider gehen auch Emmanuels Geschäfte in der Tourismuskrise nicht mehr ganz so gut, wenngleich er bislang immerhin noch seinen Job hat. Das Geld reicht aber nicht mehr für die Gebühren für Beatrice’s Studium, das sie nach der Geburt von Prince unterbrochen hatte. Weil wir unbedingt an die Chancen und Erfolge über Bildungsanstrengungen glauben und Beatrice sowohl das Zeug als auch die notwendige Begeisterung hat, sich weiter im Studium (Wirtschaft) reinzuknien, werden wir die Studienfinanzierung persönlich übernehmen. So, wie wir das bei Moses getan hatten, Emmanuels Cousin, der zwischenzeitlich seinen Bachelor mit Auszeichnung abgeschlossen und jetzt in Teilzeit, neben seiner Arbeit bei Kenya Port, einen Masterstudiengang aufgenommen hat.

Erfreuliche Nachrichten gibt es weiterhin von Faith’s schulischer Entwicklung: Im zweiten Abschnitt der ersten Klasse ist sie weiterhin die Klassenprima – nur exzellente Noten mit nahezu 100% Punkten in allen Fächern. Chapeau! Beim gemeinsamen Abendessen war Mathe das Thema…

Dramatisch schief gegangen ist leider unser Versuch, Beatrice‘s Schwester Milli, die sich auf der Forschungsstation in Malindi so fürsorglich um die Dortmunder Studierenden kümmert, zum Dank für ein paar Wochen nach Deutschland zu Besuch einzuladen. Die deutsche Botschaft in Nairobi befand jedoch, man könne nicht sicher davon ausgehen, dass Milli wieder in ihre Heimat zurückkehre und hat das Visum – auch nach Gegenvorstellung durch uns – schlicht verweigert. Milli war tief enttäuscht und mit ihr auch alle, die sich auf ihren Besuch schon gefreut hatten.

Wir bitten alle Förderinnen und Förderer, Freundinnen und Freunde von DESTURI auch weiterhin um Ihre/Eure Unterstützung. Jeder Betrag ist willkommen. Wie in der Vergangenheit stehen wir voll dafür ein, dass jede Spende in voller Höhe DESTURI zugute kommt. Und wie bisher werden wir über den weiteren Fortschritt des Projekts berichten.